im watt – nordsee 2018
vielleicht war ich schon einmal im watt, als kind. es muss jedenfalls viele jahre her sein, dass ich dieses gefühl hatte: wie matsch zwischen meinen zehen durchquaatscht. ja, quaatscht, es muss genauso geschrieben werden, damit ihr euch vorstellen – oder erinnern – könnt, wie es sich anfühlt. wie es bei jedem schritt schmatzt, wenn man auf meeresboden läuft. auf meeresboden, der vom wasser zurückgelassen wurde. der mond hat das wasser geklaut, zurück bleiben all die muscheln und schnecken, winzige krebse und wattwürmer und strukturen, eine lichtlandschaft, durch die ich wandle, für wenige stunden. ich sinke ein, wir sinken ein. im watt ist alles blank, als zeige das meer für kurze zeit seine seele: sieh her, das verberge ich bei flut, besuchst du mich, kannst du das geheimnisvolle greifen, es durch die finger rinnen lassen. es durchstreifen. darin steckenbleiben. aber eile dich, die ebbe ist trügerisch, ich nehme mir meine landschaften zurück, gleich gleich
schon. ich möchte den spuren der möwen im schlamm folgen, mit auf eine reise kreuz und quer ohne ein einzelnes ziel, es geht von futterquelle zu futterquelle, es gibt viele ziele, minütlich können sie wechseln, das wäre vielleicht meinem naturell entsprechend. meine füße tragen den schlamm mit sich, machen jeden schritt mühsam, dann wieder wäscht das wasser der dunklen pfützen sie sauber, beim nächsten schritt wieder fühle ich den kühlen schlick, wie er meinen fuß umschließt. ungeduld wird zu geduld gefiltert, mein durch die vielen eindrücke der letzten monate grobkörniges herz wird wieder feinkörnig, hier im watt. aber nun muss ich zurück ans ufer, nach kurzer rast aufbrechen zu anderen lichtlandschaften.